DER TRAUM EINES SPINNEREIBESITZERS
Wie kam es zu der spektakulären Fahrt eines Dampfers auf dem Bodensee, immerhin zwei Jahrzehnte vor den ersten deutschen Dampfloks auf Eisenbahnschienen? Der Züricher Spinnereibesitzer Johann Caspar Bodman (1776-1827) hatte von der Innovation in der Zeitung gelesen und war so begeistert, dass er eine Reise nach England unternahm, um sich kundig zu machen. Die fortschrittliche Idee wurde unterstützt vom Landesherrn, dem Großherzog von Baden. Im Winter 1817 begann der Bau. Im Frühjahr 1818 ging das Geld aus, daher musste statt der größeren Schiffsmaschine eine kleinere Dampfmaschine aus der Spinnerei eingebaut werden. Sie war nur zwei PS stark – und bewältigte zwar die Jungfernfahrt von Konstanz nach Meersburg, versagte aber auf der Rückfahrt.
NEUES BADISCHES TERRITORIUM
Getauft wurde das Schiff auf den Namen der badischen Großherzogin Stephanie Beauharnais, einer Adoptivtochter Napoleons. Konstanz und Meersburg waren erst seit wenigen Jahren badisch: Am Anfang des Jahrhunderts hatte Napoleons Expansionspolitik die Verhältnisse in Europa vollständig umgewälzt. Baden und Württemberg waren aufgestiegen und hatten die vielen kleinen und großen Herrschaften des Südwestens in ihre neuen Landesgrenzen aufgenommen. So waren die Reichsstadt Konstanz ebenso wie das Gebiet des Fürstbischofs, der in Meersburg im Neuen Schloss residierte, zum neuen Großherzogtum Baden gekommen.
EINE PRINZESSIN AUS PARIS
Der französische Kaiser Napoleon hatte seine Adoptivtochter Stephanie mit dem badischen Thronfolger Karl verheiratet. Beim badischen Herrschergeschlecht war die Schwiegertochter zuerst wenig willkommen: Napoleon und seine Familie galten als Emporkömmlinge. 1811 bestieg Karl von Baden den Thron in Karlsruhe – und die elegante Prinzessin Stephanie aus Paris wurde Großherzogin von Baden. Kein Wunder also, dass das neue Dampfschiff nach der jungen Herrscherin benannt wurde.
VON STEPHANIE ZU STEH-FAHR-NIE
Am 29. April 1818 kam es zu der Jungfernfahrt des Dampfschiffes – eine absolute Premiere: Die „Stephanie“ war das erste Dampfschiff auf der heute so alltäglichen Strecke von Konstanz nach Meersburg. Für die zehn Kilometer brauchte das Schiff vier Stunden. Auf der Rückfahrt allerdings fiel die zu schwache Maschine aus und die Ehrengäste mussten selbst nach Konstanz zurückrudern. Bis 1821 lag das zukunftsweisende Dampfschiff am Konstanzer Seerhein, bevor es versteigert wurde. Im Volksmund war die „Stephanie“ schon bald als „Steh-fahr-nie“ bekannt.
GESCHICHTE AUF DEM BODENSEE
Wie innovativ das Schiff mit dem Namen der Großherzogin war, zeigt der Blick in die damalige Welt: Erst elf Jahre vorher hatte der erste Raddampfer den Schiffspassagierdienst auf dem amerikanischen Hudson River aufgenommen, das Vorbild für europäische Dampfschiffe. Zehn Jahre später, noch vor Einführung der ersten Eisenbahnlinie, wurde das Dampfschiff „Prinzessin Charlotte von Preußen“ in Berlin eingesetzt. Dampfer sind ab diesem Zeitpunkt nicht mehr wegzudenken und wurden vor allem für den Postliniendienst und die Passagierfahrt eingesetzt – schnell auch auf dem Bodensee. Heute ist die „Hohentwiel“ das älteste Verkehrsschiff auf dem Bodensee: Der Dampfer durchkreuzt seit 107 Jahren die Gewässer. In Meersburg liegt der Hafen für die Schiffe bis heute direkt unterhalb der barocken Stadtkrone: Das Neue Schloss und seine Umgebung, errichtet als Residenz der Fürstbischöfe von Konstanz, sind das weithin sichtbare Zeichen der Stadt. Wer sich per Schiff der Stadt nähert, sieht die prachtvolle Anlage schon von Weitem – wie bereits 1818.
SERVICE
Aktuell ist das Neue Schloss Meersburg wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und Kultur- und Freizeiteinrichtungen des Landes geschlossen.